Lichtenberg

Lichtenberg
I
Lịchtenberg,
 
Stadtbezirk von Berlin, 26,4 km2 und (1999) 155 900 Einwohner. Vor Bildung der Stadtbezirke Marzahn (1979) und Hellersdorf (1986) hatte Lichtenberg eine Fläche von 78,6 km2 mit (1978) 228 600 Einwohner. - Das 1288 erwähnte Dorf Lichtenberg verkaufte Markgraf Jobst von Mähren 1391 an die Stadt Berlin. Im 19. Jahrhundert wurde es in die von Berlin ausgehende großstädtische Entwicklung einbezogen und seit 1871 zu einem bedeutenden Industrieort (1871: 10 000, 1890: 31 000 Einwohner). Nach der Verleihung des Stadtrechts (1907) und der Eingemeindung von Boxhagen und Rummelsburg (1912) zählte Lichtenberg 1919 bereits 184 000 Einwohner. Mit den Ortsteilen Biesdorf, Friedrichsfelde, Hellersdorf, Karlshorst, Kaulsdorf, Mahlsdorf und Marzahn wurde Lichtenberg 1920 ein Verwaltungsbezirk von Berlin.
 
II
Lịchtenberg,
 
1) Bernhard, katholischer Theologe, * Ohlau 3. 12. 1875, ✝ Hof 5. 11. 1943; 1899 Priesterweihe; Kaplan und Pfarrer in Berlin, ab 1938 Dompropst der Hedwigskathedrale, der Bischofskirche des neu errichteten Bistums Berlin. Bereits vor 1933 und zunehmend nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wegen seiner politischen Überzeugungen und pazifistischen Grundhaltung angegriffen, erreichten die Anfeindungen ihren Höhepunkt, als Lichtenberg seit der Reichspogromnacht täglich öffentlich Fürbitte »für die verfolgten nichtarischen Christen und für die Juden« hielt und für sie vielfältige praktische Hilfe organisierte. 1941 wegen »Kanzelmissbrauchs« zu zweijähriger Gefängnishaft verurteilt, nach seiner Entlassung (23. 10. 1943 ordnete die Gestapo die »Überstellung in das KZ Dachau« an; bereits schwer erkrankt, verstarb Lichtenberg auf dem Transport. - 1996 sprach Papst Johannes Paul II. in Berlin Lichtenberg zusammen mit K. Leisner selig.
 
 
C. Feldmann: Wer glaubt, muß widerstehen. B. L. - Karl Leisner (1996).
 
 2) Georg Christoph, Pseudonyme Emanuel Cạndidus, Conrad Photorin, Physiker und Schriftsteller, * Ober-Ramstadt 1. 7. 1742, ✝ Göttingen 24. 2. 1799, Sohn des Generalsuperintendenten Johann Conrad Lichtenberg; infolge einer rachitischen Erkrankung von Kindheit an bucklig; studierte 1763-67 Mathematik, Astronomie und Naturgeschichte in Göttingen, wo er 1770 Professor für Mathematik wurde. 1770 unternahm er seine erste, 1774/75 seine zweite Englandreise, daneben zahlreiche Reisen in Deutschland; er betrieb intensive wissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiet der Astronomie und der experimentellen Physik (Lichtenberg-Figuren). - In den ab 1764 geführten, erst postum veröffentlichten (in Auszügen in »Vermischte Schriften«, 9 Bände, 1800-06; erste Gesamtausgabe 1902-08 unter dem Titel »Aphorismen«, 5 Bände, Nachdruck 1968) Tagebüchern, »Sudelbücher« genannt, finden sich zahllose Notizen und literarisch bedeutende »Aphorismen«, die Lichtenbergs Nachruhm begründeten. Sie zeigen ihn als psychologisch-scharfsinnigen Beobachter und unabhängigen Vertreter der Aufklärung von universaler Bildung. In seinen satirischen Aufsätzen, die meist in dem von ihm 1778-99 herausgegebenen »Göttinger Taschen Calender« sowie in dem 1780-85 gemeinsam mit J. G. Forster redigierten »Göttingischen Magazin der Wissenschaften und Litteratur« erschienen, bekämpfte er v. a. den übertriebenen Geniekult des Sturm und Drang, die Physiognomik J. K. Lavaters (»Ueber Physiognomik wider die Physiognomen«, 1778) und religiöse Intoleranz. Über 800 Briefe Lichtenbergs sind überliefert (»Briefe aus England«, 1776-78); sie geben, zusammen mit seinen Notizen, ein autobiographisch aufschlussreiches Bild Lichtenbergs und sind zugleich Dokumente kritischer Durchleuchtung seines Zeitalters. Gelegentlich selbst Skizzen und Karikaturen anfertigend, trat er auch als Kunstkritiker hervor (»G. C. Lichtenbergs ausführliche Erklärung der Hogarthschen Kupferstiche«, 5 Lieferungen, 1794-99; 1800-35 erweitert auf 14 Lieferungen).
 
 
Ausgaben: Schriften und Briefe, herausgegeben von W. Promies, 4 Bände (1-31968-81); Briefwechsel, herausgegeben von U. Joost und anderen, 4 Bände (1983-92).
 
 
R. Jung: L.-Bibliogr. (1972);
 H. L. Gumbert: Eine L.-Bibliogr., in: Euphorion. Ztschr. für Literaturgesch., Jg. 68 (1974);
 D. Goetz: G. C. L. (Leipzig 1980);
 R. Wehrli: G. C. L.s ausführl. Erklärung der Hogarth. Kupferstiche (1980);
 A. Schöne: Aufklärung aus dem Geist der Experimentalphysik. Lichtenbergsche Konjunktive (1982);
 G. Sautermeister: G. C. L. (1993).

Universal-Lexikon. 2012.

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